--- Rundbrief 5 10. Oktober 2000
Wir haben Ferien (bzw. die Schüler, nicht wir) und die Schule ist ziemlich leer. Nur für die Amis wurden die Ferien abgesagt - um die macht man sich hier (der Eltern wegen) nämlich immer etwas mehr Sorgen. Unter uns Zivis ist im Moment eine gewisse Demotivation zu spüren. Wegen Krieg sind wir zwar nicht mehr so sehr besorgt (Wir hatten heute ein Gespräch mit einer Mutter, die auch hier an der Schule Lehrerin ist und sehr plausibel erklären konnte, weshalb es wahrscheinlich keinen Krieg und auch keine zweite Intifada geben wird), aber da wir immer noch keinen ernsthaften Sprachunterricht bekommen, nun schon eine ganze Weile zu neunt auf 50 Quadratmetern zusammen wohnen und auch das (gewünschte) Verhältnis zu den SchülerInnen - zumindest mir - immer noch Probleme macht, leidet der Elan doch arg. Teilweise wird über Rückreise nachgedacht...
--- Rundbrief 4 2. Oktober 2000
Back again. Hier hat sich in der Zwischenzeit nicht so sehr viel getan; die Beethoven-Gruppe ist wieder abgefahren (schöne Grüße an Euch da draußen), ich bin jetzt dauerhaft im Computerlab (auch ohne Großprojekte) und wir versuchen immer noch umzuziehen.
Hier sind, wie Ihr wahrscheinlich mitbekommen habt, im Moment wieder starke Unruhen ausgebrochen. Die Israelis sprechen von ca. 14 Toten, die Palästinenser von über 30. Ein Krisenherd liegt gerade mal 10 Kilometer von hier entfernt, aber fast alles, was ich weiß, habe ich aus der Tagesschau. Israel eben.
(12 Minuten später)
Ich korrigiere: Man bekommt doch was mit! Gerade ist hier ein Düsenjäger über uns geflogen und dann haben die Scheiben irgendwie gewackelt... Ich glaube, ich suche mir mal einen Fernseher oder so was...
--- Rundbrief 3 22. September 2000
Da bin ich also wieder. Hier in Israel ist vor einer Woche die deutsche Austauschgruppe mit Herrn Riegel und Frau Tomczak angekommen. Sechzehn Schüler insgesamt, zwölf Mädchen, vier Jungen, alles Elftklässler. Ich habe schon zwei Ausflüge mitgemacht, einen ein-Tages-Trip nach Akko (Kreuzfahrerstadt) und einen drei-Tages-Trip, von dem ich gestern Abend zurückgekommen bin. Wir sind zuerst nach Jerusalem gefahren: Grabeskirche, Klagemauer, Bazar, usw. Danach in ein Hotel (endlich mal wieder ein richtiges Bett) und am nächsten Morgen Sonnenaufgang auf Mazzada, einer über 2000 Jahre alten Festung am äußersten Rand der Wüste. Zurück ins Hotel, frühstücken, rüber zum toten Meer (superheiß, ganz lustig, Schwimmzeug liegengelassen) und dann ins Beduinencamp in der Negev-Wüste. Das Camp war ziemlich Touri-style, aber sanitäre Anlagen haben doch was für sich...
Beduinenessen ist richtig gut und als die 60 Motorola-Leute (gruppendynamische Spielchen in der Wüste lassen sich die Firmen ganz schön was kosten...) weg waren, war's wirklich nett. Leider war ich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ganz gesund und die Nacht hat mir dann ein bißchen den Rest gegeben. (Geburtstag feiern, Volkslieder lernen, Hügel erklimmen...) Auf jeden Fall habe ich Dromedarreiten am nächsten Morgen lieber sein gelassen und als wir in Ein Gedi noch eine Wüstentour machen wollten, bin ich lieber am Parkplatz geblieben. Leider stellte sich heraus, daß der noch eine ziemliche Baustelle war und ich blieb zweienhalb Stunden mit erhöhter Temperatur bei 34° im Schatten auf einem Betonpfeiler - Thank God for Aspirine. War aber trotzdem die bessere Alternative, glaube ich, denn auf der Tour, die ich ausgelassen habe, sind zwei oder drei Leute umgekippt. Später dann nochmal ans tote Meer und dann zurück zur Schule.
Heute hatten wir FaceTime mit Reena (gth&d), am Sonntag startet unser Sprachkurs - allerdings nur mit drei Stunden in der Woche; nicht gerade viel. Später haben wir uns noch ein Haus weiter unten auf dem Campus angesehen, in das wir vielleicht umziehen können. Das wäre dann sehr WG-mäßig, deshalb haben wir abends erst mal eine "Vollversammlung" abgehalten und besprochen, wie sich die einzelnen das Ganze so vorstellen würden (Badreinigen, Lautstärke, Gäste, etc.). Alles in allem sind aber (fast) alle von der Idee begeistert, jetzt müssen wir sehen ob's klappt.
Am Sonntag fange ich im Computer-Lab an - eine Woche auf Probe. Reena meinte, das dort auch Schüler arbeiten würden, die dafür Credits bekämen, was bedeutet, das ich nicht deren Arbeit machen kann. Allerdings kann ich mir kaum vorstellen, daß da *überhaupt jemand* arbeitet. Von den 40-50 Computern funktioniert höchstens ein Drittel *halbwegs*. Ab Sonntag werde ich jedenfalls erst mal powern, wenn's geht irgendwelche Großprojekte anzetteln...
Wenigstens haben wir jetzt jeden Mittwoch einen Computerraum zwei Stunden lang für uns.
--- Rundbrief 2 8. September 2000
Hallo Ihr alle!
Ich hoffe, mein Rundbrief eins hat Euch erreicht; über das Wesentliche müßtet Ihr schon Bescheid wissen. Heute hatten wir Meeting mit Boaz, dem Schulleiter und Reena, einer Lehrerin aus den USA. Das hat mir sehr geholfen, weil das Ganze hier langsam eine Struktur bekommt, uns zusätzliche Angebote wie Ausflüge mit den Schülern oder AGen angeboten wurden und ich evtl. im Computerlaboratorium arbeiten kann. Wenn ich sehr viel Glück habe, wird mir vielleicht was auf meine Arbeitszeit angerechnet, mal sehen. Küche muß jedenfalls auf Dauer nicht unbedingt sein. Da ist man zwar aus der Sonne und im Winter aus dem Regen (3 Monate à 12 Regentage...), aber dafür fühlt man sich durch das ganze Putzzeug danach wie in Chemie gebadet (Umweltschutz? Ja, gibt es! Irgendwo...) und außerdem fühle ich mich zwischen lauter Hebro-only-Küchenkräften ziemlich allein... Jedenfalls steht seit heute fest: Arbeit 5 Tage die Woche, i.d.R. von 7.30 Uhr bis irgendwas zwischen 14.30 und 15.00 Uhr.
Nachher gehe ich auf meine erste Kibbuzparty, Bericht folgt.
p.s.: Die Schule hier hat bescheuertste, nervigste Pausenklingel, die jemals von Menschen (?) entwickelt worden ist. Ich versuch' mal 'ne Aufnahme klarzumachen.
p.p.s.: Ab Montag oder Dienstag gibt's alle Tilman-relevanten Aktualisierungen, Fotos, etc. unter www.tilman.de